Ausstellung 31.08.21 - 15.09.21, Eröffnung: 31.08., 19:00 Uhr | Ausstellung: 01.-15.09., Di-Sa, 14:00-18:00 Uhr Hauptraum Eintritt: Kostenlos

transparadiso

NORMAL – direkter Urbanismus x 4

Gästeproduktion

Begrüßung: Claudia Gerhäusser
Einführung: Dr. Sabine Maria Schmidt (Kuratorin, Düsseldorf/Chemnitz)
Künstler*innen: orizzontale (I), public works (GB)/ Studio Magic (A), TanzPflanzPlan AG (D), transparadiso (A)

Wie können künstlerisch-urbane Interventionen zu zukunftsorientierter und sozial engagierter Stadtentwicklung beitragen? Die Ausstellung im Forum Stadtpark bildet den Abschluss des Projekts „NORMAL – direkter Urbanismus x 4“ von transparadiso (Barbara Holub/Paul Rajakovics) im Rahmen des Graz Kulturjahrs 2020 und transportiert die Erfahrungen der urbanen Interventionen in vier Bezirken am Stadtrand von Graz zurück in das Zentrum und in den Kunstkontext und -diskurs.  

Um aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen der Stadtplanung zu begegnen, entwickelte transparadiso die Methode des direkten Urbanismus, in der direkte Aktion und Planung ineinandergreifen. Gemeinsam mit den eingeladenen urban practitioners orizzontale (I), public works (GB) und Georg Winter (D), arbeitete transparadiso in vier Bezirken: Andritz (Nord), Waltendorf (Ost), Liebenau (Süd), Wetzelsdorf (West).
Die Ausstellung präsentiert Objekte, speziell entwickelte Tools, Methoden und diverse Materialien der vier künstlerisch-urbanen Interventionen, die in Kooperation mit Institutionen und in Partizipation mit den BewohnerInnen von Frühjahr 2020 bis Sommer 2021 in Andritz, Waltendorf, Liebenau und Wetzelsdorf realisiert wurden, um kollektive Qualitäten und Aneignung von öffentlichen Räumen jenseits von Konsum in den Vordergrund zu stellen. Die Projekte dienen als Ausgangspunkt für eine weitere Diskussion für sozial engagierte Stadtentwicklung in Graz.

Ein Projekt für das Graz Kulturjahr 2020.

www.transparadiso.com

NORMAL – direkter Urbanismus x 4

Die Stadt Graz wächst, insbesondere an den Rändern.

NORMAL – direkter Urbanismus x 4

Agrarflächen werden anlassbezogen umgewidmet, verdichteter Wohnbau ohne Einbindung in ein Stadtentwicklungskonzept errichtet, dörfliche Strukturen und Zentren verschwinden und der Boden wird nachhaltig versiegelt. Auch wenn die Auswirkungen auf das Klima hinreichend bekannt sind, schreitet die Bodenversiegelung weiter voran, einhergehend mit dem Mangel an kollektiven, öffentlichen Räumen für informelle Treffen frei von Konsumzwang.

Doch ist das „normal“, im Sinne von selbstverständlich oder unabwendbar? Wie kann man dieser Entwicklung entgegenwirken und im eigenen Umfeld aktiv werden? Welche neuen Prozesse und Methoden braucht es, um Eigeninteressen gegenüber Qualitäten für ein gemeinschaftliches Zusammenleben abzuwägen? Wie kann in peri-urbanen Gebieten, die von einem rapiden Transformationsprozess geprägt sind und trotz ähnlicher Phänomene alle sehr unterschiedlich sind, eine neue „Zentralität“ (Lefebvre) und Identität, die von Gemeinschaft geprägt ist, mit innovativen künstlerisch-urbanistischen Methoden geschaffen werden?

Mit NORMAL erforschen die urban practitioners in ihrer transdisziplinären Rolle zwischen Kunst und Urbanismus ein neues „normal“, das dem Abweichen von der Norm und dem scheinbar nicht-Machbaren, ebenso wie jenen verborgenen oder verlorenen Qualitäten, die in einer von Gewinnmaximierung dominierten Stadtentwicklung und in unserem von Effizienz getriebenen Leben verdrängt wurden, wieder Raum. Methoden wie Wunschproduktion, die international von verwandten urban practitioners seit Mitte der 1990er Jahre (siehe Park Fiction) vielfach erprobt wurden, wurden von transparadiso z.B. erweitert durch „Makro-Utopie“, „Umwertung“ oder „Un-Learning“.


Basierend auf der Recherche von transparadiso behandelten die KünstlerInnen / ArchitektInnen aktuelle urbane Fragestellungen, die die Komplexität konfligierender Interessen jenseits einer Schwarz-Weiß-Sichtweise zur Diskussion stellten und zu konkretem Handeln („taking action“) aufriefen:
Am Hauptplatz von Andritz führte public works mit Studio Magic von 12.7.-17.7.2021 PLATZEN – School for Civic Action durch. Anknüpfend an die School for Civic Action, die public works in Roskilde (DK) 2018-2020 realisierte, stellten sie in Andritz die Frage, welche Rolle ein Hauptplatz in einem Bezirk im Verhältnis zum Hauptplatz der Stadt spielen kann. Für die Ausstellung transportiert public works u.a. den „wandernden Turm“, der auf dem Hauptplatz zusehends mit Tafeln der Wünsche der Bevölkerung gefüllt wurde, vom Andritzer Hauptplatz zurück ins Zentrum der Stadt. Die Skulptur, deren Wünsche von offensichtlich machbaren bis zu scheinbar utopischen Ideen rangierten, wurde ergänzt durch konkrete Eingriffe von public works und Studio Magic, die durch spontan gebaute Aneignungsmöbel bereits neue Aufenthaltsqualitäten auf dem Platz schufen. Der Wunsch nach der „Begegnungszone“ wird aktuell weiterverfolgt. Eine erste Bürgeraktion unter dem Namen „Blühende Straße Andritz“ ist schon für September 2021 geplant.

transparadiso transformierte den Parkplatz der Pfarre St.Paul in der Eisteichsiedlung in Waltendorf von 31.07.-01.08.2021 mit den BambooKazas in das informelle Kongresszentrum des Third World Congress of the Missing Things (in Kooperation mit der Pfarre St.Paul). Das urbane Einsatzfahrzeug Indikatormobil wurde als „Kongresszentrum“ aktiviert; ein dérive erforschte verborgene poetische Momente in der Eisteichsiedlung, die die Qualität dieses Viertels prägen, aber ein offensichtliches missing thing in der aktuellen Stadtentwicklung darstellen; Performances der Kapellknaben/–mädchen (Leitung: Edith Draxl) regten die Diskussion von „nicht-funktionalen“ missing things zu Themen wie „offen halten“ oder „neue Rituale für Gemeinschaft“ an. Die Charter of the Missing Things wurde an die Stadt Graz (Bezirksvorsteher Peter Mayr) zur weiteren Diskussion übergeben. In der Ausstellung ist u.a. die Litfasssäule mit den neuen missing things des Kongresses zu sehen.

Am neuen Strand am Grünanger in Liebenau eröffnete orizzontale am 11.6.2021 FLUSSFLUSS – Castaway on the Mur (in Kooperation mit dem Jugendzentrum Am Grünanger) als permanente Installation. Der begehbare schwimmende Turm FLUSSFLUSS markiert als Wahrzeichen gemeinsam mit dem Canopy und einer kleinen schwimmenden Insel den neuen Strand als offen zugängliche Struktur, die von der Bevölkerung aktiv genutzt wird. Zusätzlich installierte orizzontale einen langen Tisch und Bänke, die auch nach Andritz und Waltendorf als kollektives und Projekt-/Bezirks-verbindendes Element wanderten. In der Ausstellung präsentiert orizzontale den Tisch mit Zeichnungen, Fotos und Plakaten zu „Was wollen Sie von der Mur?“ und das Modell des Wahrzeichens FLUSSFLUSS.

In Wetzelsdorf arbeitet die TanzPflanzPlan AG bereits seit dem Frühjahr 2020 am TanzPflanzPlan (in Kooperation mit der Land- und Forstwirtschaftsschule Grottenhof) und installierte dazu das TanzPflanzFeld. TanzPflanzPlan thematisiert das Leben mit der Landschaft und den Umwidmungsprozess von Agrarflächen an den Rändern der Stadt in neue Wohnsiedlungen, im Gegensatz zu urban gardening im Stadtzentrum. Über vielfältige performative künstlerische Interventionen der TanzPflanzPlan AG wurde dieses ungewöhnliche Feld mit den BewohnerInnen der Nachbarschaft aktiviert und gepflegt. Nachdem die NachbarInnen Interesse haben, das TanzPflanzFeld zu übernehmen, wird also die Debatte um eine weitere temporäre Nutzung voranschreiten. In der Ausstellung wird ein Feld installiert, das diverse Tools und Elemente des TanzPflanzFelds zeigt und zur Nutzung in anderen Kontexten anregt.

Katalog: NORMAL- direkter Urbanismus x4/ #2

Der Katalog NORMAL- direkter Urbanismus x4/ #2 erscheint im Oktober 2021 im Salon für Kunstbuch.
Projektpartner von transparadiso: Michael Petrowitsch

Kooperationspartner: HDA, Forum Stadtpark

Medienpartner: dérive – Zeitschrift für Stadtforschung

NORMAL – direkter Urbanismus x 4 ist ein Projekt für das Kulturjahr Graz 2020.

NORMAL – direkter Urbanismus x 4 Bild: Stefan Lozar